Unbeantwortete Fragen zum Asbest im ehemaligen AOK-Gebäude an der Pallasstraße

Von Matthias Bauer

Vom November letzten Jahres bis in den Februar diesen Jahres dauerten die Abrissarbeiten am ehemaligen AOK-Gebäude an der Pallasstraße zwischen Elßholz- und Gleditschstraße. Mit unguten Gefühlen nahmen manche Anwohner immer wieder die Staubwolken wahr, die während der Abrissarbeiten in die Umgebung wehten. Denn schließlich stammte das AOK-Gebäude aus einer Zeit, in der gerne Asbest verbaut wurde – so dass die Staubwolken möglicherweise auch gesundheitsgefährdende Asbestfasern enthalten haben könnten.

Nachfragen beim Bezirksamt führten nicht wirklich zur Aufklärung. Auf eine Einwohneranfrage zur Bezirksverordnetenversammlung am 12. Dezember 2021 antwortete das Bezirksamt mit der allgemeinen Aussage, dass alles in Ordnung sei, weil solche Arbeiten ja beim LAGetSi (Landesamt für Gesundheit und Sicherheit) angezeigt werden müssten und dieses darüber wache, dass die Sicherheitsanforderungen eingehalten werden. Auf eine mündliche Anfrage des Bezirksverordneten Bertram von Boxberg in der BVV am 16. Februar diesen Jahres antwortete das Bezirksamt dann etwas konkreter, in dem es sich vor der Beantwortung beim LAGetSi rückversicherte, dass tatsächlich Arbeiten an asbesthaltigen Bauteilen dort angezeigt worden seien und diese von zertifizierten Firmen ausgeführt würden.

Es gab also einen Aktenvorgang beim LAGetSi, in den ich dann mithilfe des Portals „Frag den Staat“ um Einsicht bat. Für 94,18 € bekam ich dann Kopien der rund 30seitigen Akte zugeschickt

Hier die wichtigsten Inhalte aus der Akte des LAGetSi zum Bauvorhaben Pallasstraße 24:

  • Am 1. November 2021 stellte die FHB Abbruch und Entsorgung GmbH eine „objektbezogene Asbestanzeige“ zum Bauvorhaben in der Pallasstraße 24. Als Auftraggeberin der FHB wird die RWG Abbruch & Tiefbau GmbH genannt.
  • Die Arbeiten sollten von zwei Beschäftigten ausgeführt werden zwischen dem 8. November 2021 und dem 8. Februar 2022.
  • Dabei sollten 700 laufende Meter festgebundener Asbest in Rohrschächten und 820 laufende Meter festgebundener Asbest in Fensterbänken ausgebaut werden.
  • Die Beschäftigten sollten mit Schutzanzügen (Cat 3, Typ 5,6), partikelfiltrierenden Halbmasken FFP2, nitritgetränkten Baumwollhandschuhen, Helm, Schutzbrille und Sicherheitsstiefeln S3 ausgestattet werden.
  • Schwarzbereiche sollten deklariert und luftdicht mit Folien abgeschottet werden.
  • Die Entkernung/Demontage der asbesthaltigen Fensterbänke und Rohre sollte mit Kleingeräten unter Direktabsaugung stattfinden.
  • Das ausgebaute Material sollte luftdicht in BigBags verpackt und über einen Bauaufzug in bereitgestellte Container transportiert werden.
  • Der Bauaufzug sollte bauseits gestellt werden, ebenso wie ein Gerüst.

Soweit kurz zusammengefasst die Aussagen der Akte. Die gesamte Akte kann nun online eingesehen werden. Siehe Link am Ende des Beitrags.

Können zwei Personen in drei Monaten dieses Pensum schaffen? 700 m Rohrschächte und 820 m Fensterbänke ausbauen unter den beschriebenen Sicherheitsvorkehrungen?

Das wäre sicher möglich. Nur: in dieser Zeit liefen schon die Abrissarbeiten am Gebäude selbst. Ab Ende November waren schwere Abrissbagger im Einsatz. Zum Jahreswechsel war das Gebäude nur noch teilweise vorhanden, die Fassaden aufgerissen. Es ist schwer vorstellbar, dass während von Außen mit schwerem Gerät die Konstruktion des Gebäudes nach und nach zum Einsturz gebracht wird, im Innern gleichzeitig Arbeitsbereiche zu „Schwarzbereichen“ deklariert und luftdicht mit Folie abgeschottet werden. Auch das im Antrag beschriebene Gerüst und der Bauaufzug zum Transport der BigBags wurde zu keiner Zeit gesichtet. Fotos dokumentieren den Abriss zu verschiedenen Zeitpunkten.

Durch Klick auf die Bilder können vergrößerte Ansichten geladen werden.

Aufnahme vom 11.11.2021

Aufnahme vom 11.11.2021

Aufnahmen vom  15.11.2021

Aufnahmen am 25.11.2021

Videoaufnahme am 29.11.2021

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Aufnahme am 16.12.2021

Aufnahme am 16.12.2021, Bertram von Boxberg

Aufnahmen vom 25.12.2021

Aufnahmen vom 2. Januar

Aufnahmen vom 30. Januar 2022

Aufnahmen vom 31. Januar 2022

Aufnahme am 5. Februar 2022

Aufnahme am 5. Februar 2022

Aufnahme am 6. Februar 2022

Aufnahme am 8. Februar 2022

Aufnahme am 8. Februar 2022

Aus den Bildern zum Ablauf der Abbrucharbeiten ergeben sich zahlreiche Fragen. Konnte die komplette Asbestsanierung und -entsorgung (700 laufende Meter festgebundener Asbest in Rohrschächten und 820 laufende Meter festgebundener Asbest in Fensterbänken) durchgeführt werden in den Tagen nach dem 8. November, also innerhalb von drei Wochen bevor dann Ende November die Abrissbagger eingesetzt wurden? War die Angabe im Antrag an das LAGetSi, dass die Asbestarbeiten drei Monate dauern würden, falsch? Gab es außer den Fensterbänken und Rohrschächten noch weitere asbestbelastete Bauteile? Wie wurden die BigBags mit dem kontaminierten Material abtransportiert ohne Bauaufzug und Gerüst? Gibt es Entsorgungsnachweise?

Alle Beteiligten, die ausführende Firma, die den Antrag beim LAGetSi gestellt hatte, die Abbruchfirma als deren Auftraggeberin, die vom Bauherren bestellte Bauleitungsfirma, das renommierte Architekturbüro und die Bauherrin des Projekts „Am Winterfeldt“ selbst, die Diamona & Harnisch Berlin Development GmbH & Co Pallasstraße KG  – niemand wollte sich zum Thema äußern – weder telefonisch noch per Email. Mehrfache Nachfragen blieben ergebnislos.

Die Rolle der öffentlichen Verwaltungen

Im Bezirksamt wurde ein Antrag auf Abriss gestellt, der genehmigt wurde ohne sich um die Asbestproblematik zu kümmern. Auf die Idee mal in die Bauakten zu schauen, aus der Zeit als das AOK-Gebäude erstellt wurde, ist offensichtlich niemand gekommen. Vermutlich hätte man in der damaligen Baubeschreibung auch Hinweise auf die verwendeten Materialien finden können, z. B. Asbest in Fußbodenbelägen, in Brandschotts u. a.

Aber für Asbest ist ja schließlich das LAGetSi zuständig. Dieses wiederum entscheidet nach Aktenlage und verlässt sich dabei offensichtlich ausschließlich auf die Angaben der Antragsteller. Der Antrag auf Arbeiten mit Asbest wurde am 1. November 2021 gestellt, mit Zertifikaten wurde Fachkunde der Beschäftigten bescheinigt. Doch die Baustelle wurde nie besichtigt – das stellt das LAGetSi ausdrücklich fest in einer Email an das Bezirksamt. So wird Verantwortung zwischen den Ämtern hin und her geschoben.

In der Antwort von Angelika Schöttler, Stellvertretende Bezirksbürgermeisterin und Stadträtin für Stadtentwicklung und Facility Management auf die mündliche Anfrage von Bertram von Boxberg in der Bezirksverordnetenversammlung am 16.02.2022 klingt zumindest die Ahnung an, das hier möglicherweise nicht alles korrekt abgelaufen ist:

. . . Ergänzend weise ich darauf hin, dass der unsachgemäße Umgang mit Asbest, der zu einer erheblichen Freisetzung von Asbestfasern und damit zu einer Gefährdung von Mensch und Umwelt führt, insbesondere gem. § 326 Strafgesetzbuch einen Straftatbestand darstellt . . .

Materialien

4 Kommentare

  1. Vielen Dank für diesen Beitrag. Interessant. Unser Onkel hat auch gerade gesagt, dass sie eine Asbestsanierung brauchen. Leider haben sie einige in ihrem alten Haus, da es sehr alt ist.

  2. Das eigentliche Thema sollte doch sein, wie der liebe Herr Oltmann und seine Grünen es hier so richtig verbockt haben: Statt einen Deal mit den üblichen 30% Sozialquote zu machen, hat man, typisch grün, auf Totalblockade gesetzt.

    Der Projektentwickler hat das gemacht, was der Rechtsweg hergibt: Er hat sich an den Senat gewandt und der Senat hat entschieden, dass die Baumasse sich einfügt und nicht versagt werden kann.

    Jetzt dürfen wir alle nur zuschauen, aber nicht drin wohnen. Vielen Dank, Herr Bürgermeister.

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